Bund Sightseeing Tunnel

Der Tunnel (外滩观光隧道; Wàitān guānguāng suìdào) verläuft zwischen der Uferpromenade auf der Puxi-Seite (浦西; Pǔ xī, westlich des Pu) und dem Oriental Pearl Tower in Pudong (浦东; Pǔ dōng, östlich des Pu) unter dem Huangpu-Fluss (黄浦江, Huángpǔ Jiāng) hindurch. Die Unterführung ist ein Erlebnis der anderen Art: Die rund 600m werden von kleinen Bähnchen mit transparenten Wänden beinahe im Schritttempo zurückgelegt. Unterwegs gibt es ein psychedelisches Licht- und Farbspektakel zu den Themen Lava, Himmel, Hölle, Paradies und Meereswelt, plötzlich tauchen unvermittelt vogelscheuchenartige Clownfiguren aus dem Dunkel auf, so dass beinahe etwas Geisterbahn-Feeling aufkommt. Die etwa 5-minütige Fahrt wird mit bombastischen Klängen untermalt und von Erklärungen in Englisch und Chinesisch begleitet. Kosten tut das zweifelhafte Vergnügen stolze 40 元 und statt Licht am Ende des Tunnels erwartet den hypnotisierten Touristen ein Spiessrutenlauf entlang unzähliger Stände mit unsäglichen Souvenirs.

Kurz, das Ganze ist so schräg, dass es schon wieder unheimlich Spass macht…!

Formel 1-Feeling auf dem Shanghai International Circuit

Philip ist heute unternehmungslustig und so fahren wir am Nachmittag mit der Linie 11 in den nördlichen Stadtbezirk Jiādìng Qū (嘉定区) und besichtigen dort den Shanghai Formel 1 Circuit (上海国际赛车场, Shànghǎi Guójì Sàichēchǎng): 1x umsteigen, 60 min fahren, 6 元 (umgerechnet knapp 80 Rappen) bezahlen. Nach einer Weile verläuft die U-Bahn oberirdisch, die Stadt hört nie auf, immer wieder ragen unvermittelt riesige neue Hochhaussiedlungen wie Drachenzähne aus dem grünen Nichts auf. Mit Bambusgerüsten werden Neubauten in schwindelerregende Höhen hochgezogen.

Beim Aussteigen hören wir schon von Weitem die Motoren dröhnen. Aber dummerweise haben wir weder eine dicke Kreditkarte noch unseren eigenen Wagen mitgebracht: Wer selber im Maserati fahren will, muss pro Person 8-11’000 元 hinblättern (und darf dann noch nicht einmal die ganze 5.451 Kilometer lange Runde abfahren). Das ist das Dreifache eines durchschnittlichen Monatseinkommens in Shanghai und selbst uns ein bisschen zu teuer…

Weil die Rennstrecke im Bereich des Jangtse-Deltas liegt, besteht der Untergrund zum grössten Teil aus Sumpfgelände und weichen Sedimenten. Damit die Fahrbahn nicht absackt, wurde die Strecke ‘schwimmend’ auf viel Polystyrol gebaut. Und um bei starkem Regen die Fahrbahn schnell und zuverlässig entwässern zu können, wurden beim Fahrerlager grosse Speicherseen angelegt. Die Bauart dieses angeblich zur Zeit modernsten aller Formel-1-Lager ist dem chinesischen Stil nachempfunden, so dass die Funktionalität der Seen zunächst gar nicht offensichtlich ist.

Die Form des Kurses gleicht dem chinesischen Schriftzeichen 上, das ja auch in Shànghăi (上海, ‘Über dem Meer’) vorkommt. Mit den zwei langen Geraden und den darauf folgenden enger werdenden Kurven ist Shanghai eine eher anspruchsvolle Rennstrecke.

Friday Night in Shanghai

Nach dem wie immer sehr frühen Nachtessen werden wir von der Gastfamilie in den Ausgang mitgenommen, schliesslich ist es ja Wochenende. Die nahegelegene Brilliance West Shopping Mall (百联西郊购物中心, bǎilián xījiāo gòuwù zhōngxīn) ist aber viel mehr als ein klassisches Einkaufszentrum. – Zum Glück, denn die Preise für Markenartikel von Sony, Esprit, Häagen-Dazs, Crocs oder Nike bewegen sich auf ähnlichem Niveau wie in der Schweiz. Eine Swatch für 1200 Yuan (umgerechnet etwa 150 CHF) ist für einen Chinesen in Shanghai mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 3000 Yuan (knapp 400 CHF) absolut unerschwinglich…

China's got Talent...

Das Shopping Center wurde 2004 bewusst als eine Art Gemeinschaftstreffpunkt für den Bezirk Changning konzipiert. Die Läden gruppieren sich um einen Freiluft-Innenhof, in dem Konzerte, Talentshows und Ausstellungen stattfinden. Auf den zahlreich vorhandenen Bänken sitzen die Leute abends wie auf einer italienischen Piazza zusammen und plaudern oder starren gebannt auf den Riesenbildschirm, der die aktuelle Fernsehshow überträgt. Das Ganze hat tatsächlich einen sehr familiären, fast schon dörflichen Charakter.

 

Schlittschuhlaufen bei 30° Grad Aussentemperatur!

Neben den Verkaufsgeschäften gibt es im 5. Stock eine Minigolfanlage, eine Eisbahn (sic!), ein Fitnesszentrum und einen Spielsalon für Kinder, wo wir uns unter ohrenbetäubendem Lärm dem Vergnügen hingeben. – Wenn es in China laut ist, dann ist es immer gleich sehr laut. Wenn etwas in China blinkt, dann aber bitte gleich richtig. Nach fünf Minuten brummt Philip und mir der Schädel, nach zehn Minuten sind wir praktisch taub, und ab da spielt es eh keine Rolle mehr…

 

Ein chinesischer Basketball-Automat fördert die Ausdauer

Ausserdem trainieren wir Kraft ...

... Reaktionsgeschwindigkeit ...

... und Auge-Hand-Koordination.

Mamas Liste

(Oder: Si fueris Romae, Romano vivito more; si fueris alibi, vivito sicut ibi.)

Ok, inspiriert von Philips konsternierter und mitunter peinlich berührter Reaktion auf seine doch zumindest teilweise etwas chinesisch assimilierte Mutter hier also (m)eine laufend ergänzte Liste von Dingen, die in China anders sind als in der Schweiz, die ich in Shanghai anders mache als in Zürich, die…

DOs – Warum auch nicht?

  1. V-Zeichen: Chinesische Touristen lassen sich oft und gerne vor typischen Sehenswürdigkeiten ablichten, am liebsten in der Gruppe. Dabei muss unbedingt immer mindestens auch eine zum Siegeszeichen erhobene Hand mit aufs Bild. Vielleicht bedeutet es „Seht her, wir können uns eine solche Reise leisten…“ oder es soll heissen „Hurra, wir leben noch!“ Egal, jedenfalls ertappe ich mich zunehmend dabei, neben einem breiten Cheese-Grinsen auch zwei Finger mit ins Bild nehmen zu wollen.
  2. Knöchelsöckchen: Jede Chinesin über 40 trägt in Shanghai ‘Mexican Socks’. In der Schweiz würde mich nichts und niemand dazu bringen, in dieser modischen Schrecklichkeit herumzulaufen. Hier aber scheint es mir ein durchaus valabler Kompromiss zwischen zuviel Stoff am Bein (heiss!!) und gänzlich nackten Füssen (staubig!!) zu sein…
  3. Stäbchen: Nach ein paar Tagen Angewöhnungszeit scheint das Essen mit zwei verlängerten Fingern die einzig vernünftige Variante zu sein. Wozu braucht es eigentlich Messer, Gabel, Löffel, alles wenn möglich noch in doppelter und dreifacher Ausführung, wenn es mit zwei eleganten und platzsparenden Stäbchen genauso gut geht? Die Esswaren werden schon bei der Zubereitung in (zugegeben, mehr oder weniger…) mundgrosse Stücke zerlegt. Auch Tiere werden dabei ohne Rücksicht auf anatomische Gegebenheiten einfach in gleichgrosse Teile zerhackt. Beim Essen müssen die mitgelieferten Fischgräten und Hühnerknochen dann halt diskret aus dem Mund gepult und neben dem Teller auf dem Tisch deponiert werden. Flüssigkeiten werden geschlürft, alles andere lässt sich tatsächlich mit einiger Übung zwischen zwei Stäbchen eingeklemmt über die kurze Distanz vom Schälchen zum Mund befördern, selbst glitschige Pilzchen, glibbrige Meeresfrüchte oder runde Böhnchen…

DON’Ts – Was ich garantiert nicht übernehmen werde

  1. Spucken: Ja, sie spucken tatsächlich, die Chinesen. Zum Glück kündigt sich ein solches Ereignis jeweils rechtzeitig und lautstark durch vorhergehendes Räuspern an, so dass mir immer genügend Zeit bleibt, einen grossen Sicherheitsabstand einzunehmen. Obwohl es vor allem die Männer tun, habe ich auch schon elegante Damen bei besagter Tätigkeit beobachtet. – Mir bleibt schlicht die Spucke weg.
  2. Hotpants & Highheels: 10 Zentimeter, weniger darf es bei den Absätzen nicht sein, mehr darf es beim Minijupe nicht sein. Ich bin voller Bewunderung für die jungen Damen, die mit traumwandlerischer Sicherheit bei jedem Wetter kurzgewandet und hochgehackt über halsbrecherisch löchrige Pflastersteine stöckeln, knietiefe Pfützen elegant umgehen oder entspannt im Damensitz hinten auf einem Mofa mitfahren. – Definitiv nur für U20 geeignet.

Oriental Pearl Tower

Die ‘Perle des Ostens’ (东方明珠塔, dōngfāng míngzhūtǎ), wie sie auf Chinesisch genannt wird, ist eines der Wahrzeichen von Shanghai. Der Turm ist 468m hoch und war zwischen seiner Eröffnung im Jahr 1995 und der Fertigstellung des Shanghai World Financial Centers* (492m, eröffnet am 28.08.2008…) das höchste Gebäude der Stadt und Chinas überhaupt.

Die Form des Gebäudes soll an fallende Perlen erinnern. Der Oriental Pearl Tower hat elf Kugeln mit unterschiedlichem Durchmesser: Die unterste Kugel mit Freiluftplattform auf 90m Höhe misst 50 Meter, die mittlere Kugel auf 263m Höhe hat einen Durchmesser von 45 Metern.

In luftiger Höhe von 350 Metern befindet sich in einer kleineren Kugel von ‘nur’ 14 Metern Durchmesser die höchstgelegene Aussichtsplattform, das sogenannte ‘Space Module’.

Ein Lift bringt uns bequem und rasch auf die verschiedenen Plattformen. Während der Fahrt leiern hübsch uniformierte Liftgirls gelangweilt einige Informationen zum Turm auf Chinesisch und Englisch herunter, aber kaum jemand hört zu…

Die Aussichtsplattform auf 263m Höhe wird ganz harmlos als ‘Sightseeing Platform’ angepriesen. In Tat und Wahrheit sind es aber bloss ein paar Zentimeter freischwebendes Glas über dem Nichts: Kreisch!, Panik!!, Fluchtreflex!!! (Selbst jetzt – in sicherem Abstand vom Turm und mit garantiert festen Boden unter den Füssen – kriege ich beim Schreiben noch schweissnasse Hände, Herzrasen, eine verspannte Rückenmuskulatur und einen grossen Klumpen im Magen…) Anscheinend ist das aber gar kein Problem für Philip und einen Haufen andere Leute, die locker-flockig hinaustreten, draufstehen und drüberlaufen, als wäre das gar nichts Besonderes.

Frage ans Publikum: Habe ich mich auch noch drauf getraut? Ja »» oder Nein »» ?

(Damit die Antwort weiter unten nicht gleich verraten wird, habe ich die beiden Links passwortgeschützt. So sollten die zwei Posts nicht sichtbar sein. Allerdings klappt das bei meinem Laptop nicht wirklich… Falls doch danach gefragt wird, einfach ‘Ja’ oder ‘Nein’ als Passwort verwenden.)

* Mehr zum ‘Flaschenöffner’ folgt, sobald Philip und ich auch diesen Turm bezwungen haben… Das wollen wir aber erst tun, wenn die Sicht klar ist. Die Aussicht aus luftiger Höhe über die schier endlose Millionenstadt ist ja schon bei diesigem Wetter sehr beeindruckend.


Protected: Nein

This content is password protected. To view it please enter your password below:

Protected: Ja

This content is password protected. To view it please enter your password below:

Philip ist da!

Vorher: Kurz vor dem Abflug in Zürich (21.06.2011 11:47 GMT+2:00)

Nach einem ruhigen und problemlosen 12stündigen Flug landen wir morgens um 5:50 Uhr in Shanghai Pudong, dank stetigem Rückenwind fast eine Stunde vor der fahrplanmässigen Ankunft. Die erste Maglev bringt uns mit 300km/h Spitzengeschwindigkeit in 8 Minuten in die Stadt, wir steigen um auf ‘meine’ Metrolinie No. 2 und merken dann unterwegs zu Fuss auf der letzten Meile, dass a) der Tag sehr schön und damit sehr heiss wird und dass b) Rollkoffer für chinesische Trottoirs nicht wirklich geeignet sind.

Schwitz, schlepp, schnauf…

 

Nachher: Kurz nach der Ankunft in Shanghai (22.06.2011 06:47 GMT+8:00))

 

Den Jetlag kriegen wir so in den Griff, dass wir die 48 Stunden zwischen Dienstag und Donnerstag vormittag als einen einzigen langen Tag betrachten: Bis auf zwei Stündchen Schlaf am Mittwoch morgen sind wir 34 Stunden nonstop wach und schlafen danach 12 Stunden tief und fest durch bis am Donnerstag morgen.

Regenzeit

Vor gut einer Woche hat hier definitiv die Regenzeit eingesetzt, seither regnet es fast täglich…

Manchmal nieselt es nur, manchmal giesst es regelrecht wie aus Kübeln. Den Einheimischen scheint das nicht wirklich viel auszumachen, die Fussgänger nehmen einfach ihre Schirme hervor, die Velofahrer und Elektrobiker ziehen sich ihre farbigen Regencapes über und das Leben geht seinen gewohnten Gang. Die Frauen stöckeln weiterhin unbeirrt auf zentimeterhohen Absätzen durch die Pfützen, die Gebäudeeingänge werden mit Sandsäcken abgedichtet, auf den glitschigen Marmorböden werden Warnschilder aufgestellt und für (oder besser gegen) die tropfenden Regenschirme gibt’s extra passende Plastic-Hüllen.

Diese ‘fünfte Jahreszeit’ zwischen Mitte Juni und Mitte Juli heisst hier Pflaumenregen, 梅雨, méi yŭ, angeblich weil gleichzeitig in Japan die Pflaumen reif werden. Das Wort für Schimmelpilz (霉) wird aber genau gleich ausgesprochen, so dass man auch von Schimmelregen sprechen könnte. Denn es ist tatsächlich schwierig, frisch gewaschene Kleider oder nassgewordene Schuhe wieder richtig trockenzubekommen und Esswaren vor dem Verschimmeln zu bewahren, die Luftfeuchtigkeit an warmen Tagen ist wirklich sehr hoch.

PS

Die coolen Flossen-Highheels gibt’s leider auch in Shanghai in keinem Laden zu kaufen, die sind ein Kunstprojekt des belgischen Künstlers Paul Schietekat: www.hightideheels.be/Leer.html

Glückszahlen

In China gilt die Zahl 4 (四, ausgesprochen sì), als Unglückszahl, weil sie sehr ähnlich klingt wie das Wort für ‘sterben’ (死, sǐ).

Auf der anderen Seite ist 8 eine besonders glücksbringende Zahl, weil ‘bā’ (八) an das ‘fā’ von 发财 (fā cái) erinnern soll, ein Ausdruck, der so viel wie ‘reich werden oder ‘zu Wohlstand kommen’ heisst. – Nicht ganz zufällig wurden die olympischen Spiele in Beijing denn auch am 08.08.2008 um 20:08:08 Uhr eröffnet. Optisch sieht eine 88 fast aus wie das Zeichen für ‘doppelte Freude’ 囍, ‘shuāng xĭ’. Ein solches Zeichen klebt zur Zeit an unserem Hauseingang, weil das Paar im fünften Stock letzte Woche geheiratet hat.

9 ist auch ganz gut, denn 九 wird ‘jiŭ’ ausgesprochen, genau gleich wie 久, was ‘immer’ oder ‘eine sehr lange Zeit’ bedeutet.

Swiss fliegt die Verbindung Shanghai PVG-Zürich ZHR unter der Nummer LX189, und in die Gegenrichtung sogar als LX188! Meine China Mobile-SIM-Karte dagegen war besonders günstig, denn die Telefonnummer (+86 15921747306 falls jemand viel Geld für ein SMS ausgeben will…) enthält zwar eine 4, aber keine 8, um das Unglück zu kompensieren.

Was passiert aber jetzt, wenn ich in China ein vierblättriges Kleeblatt finde, bringt mir das nun Glück oder Pech?! – Nach Auskunft meiner Gastfamilie gilt dies aber auch hier in China als Glücksbringer, da das Symbol mitsamt der Bedeutung aus dem Westen importiert worden ist. Uff!